Logineo ist der Name der IT-Plattformen für die Schulen in NRW. Inzwischen versucht sich schon die dritte Kultusministerin daran, das Projekt in die Spur zu bringen. Ein Erfolg ist allerdings weiter nicht in Sicht. Das fortlaufende Scheitern lehrt sehr viel über systematische Probleme bei der Digitalisierung im deutschen Schulsystem.
Akt Eins in Grün: NRW hat die Chancen erkannt!
Wir schreiben das Jahr 2017. Die Digitalisierung scheint nun auch langsam in den Schulen anzukommen. Wahrscheinlich auch deshalb hat der unter anderem von der Landesregierung organisierte Bildungskongress in Köln ein Zukunftsthema: „Unterricht in der digitalen Welt“.
Auch die Kultusministerin von Nordrheinwestfalen ist dort: Sylvia Löhrmann von den Grünen. Ihre erste Amtszeit war nur bedingt Werbung für eine zweite – vor allem für die Umsetzung der Inklusion gab es viel Kritik. Lörhmann braucht kurz vor der anstehenden Landtagswahl positive Schlagzeilen. Wahrscheinlich steht sie auch deshalb auf dem Podium. „NRW hat die Chancen der Digitalisierung für das schulische Lernen erkannt“, sagt Löhrmann.
Ein zentrales Projekt der Landesregierung ist die Schulplattform Logineo. Dieses wird auch beim Bildungskongress präsentiert: E-Mail, Cloudspeicher und Online-Office, mit dem Nutzer kollaborativ im Browser-Fenster an Dokumenten arbeiten können. Die Plattform soll zum nächsten Schuljahr 2017/2018 kommen.
Die Lehrerin Nina Toller ist vor Ort und zeigt sich in ihrem Blog von der Präsentation etwas enttäuscht: „Es dauert einfach viel zu lang. Der eigentlich geplante Starttermin war zum Schuljahr 2016/17, dann Frühjahr 2017 und nun August 2017. Nach Aussage des Geschäftsführers der Medienberatung NRW, Wolfgang Vaupel, fehlt momentan noch die Zustimmung der Personalräte.“
Es sollte sich später herausstellen, dass das leider nicht das einzige war, was bei Logineo fehlte. Die Digitalisierungsstrategie der Landesregierung scheint aber auch nicht bei den Wählern anzukommen, denn die rotgrüne Regierung verliert die Wahl und Löhrmann muss das Kultusministerium räumen.
Akt Zwei in Gelb: Digital First, Bedenken Second
Ihre Nachfolgering Yvonne Gebauer kommt aus der FDP. „Digital First, Bedenken second“ hatte die Partei im Wahlkampf plakatiert. Digitalisierung soll also eines der Kernthemen der Legislaturperiode sein. Insofern konnten sich die Schulen Hoffnungen machen, dass die neue Kultusministerin Gebauer die Digitalisierung endlich schneller voran treiben würde.
Bei Logineo scheinen aber dann doch die Bedenken zu überwiegen: Die Schulplattform kommt nicht wie angekündigt zum Schuljahr 2017/2018. Der Rollout wird wegen technischer Problem im März 2018 endgültig auf das folgende Schuljahr verschoben. In der Folge wird der Medienberatung NRW die Verantwortung für das Projekt entzogen.
Es dauert bis in den November 2019, bis der Rollout der Plattform dann tatsächlich beginnt. Falls die Landesregierung große Ambitionen in Sachen Digitalisierung hatte, merkt man diese der Plattform nicht an: Diese bietet zunächst nur E-Mail, Cloud-Speicher und Kalender für Lehrkräfte. Schüler*innen haben keinen Zugang. Eine Online-Office-Funktion fehlt. Das Angebot ist eigentlich nur für Schulen interessant, die bislang gar keine Infrastruktur hatten.
Und dann kommt das Jahr 2020 und die Corona-Pandemie. Weil Logineo NRW immer noch keine Schüler-Zugänge bietet, steht das Land NRW mehr oder weniger blank da. In Windeseile muss eine Lösung her. Das Land kauft eine Moodle-Lösung ein, klatscht ein bisschen Pixel-Farbe drauf und veröffentlicht die Plattform im Juni 2020 unter dem Namen „Logineo NRW LMS“.
Das System läuft von Anfang an zuverlässig – wahrscheinlich auch, weil die Plattformen vom auf Moodle spezialisierten Unternehmen Eledia betrieben werden. Zum Start gibt es Anleitungsvideos für Lehrkräfte und Schüler*innen vom Landesinstitut für Schule Qualis. Der Start ist also angesichts der Kürze der Zeit durchaus vielversprechend. Insofern stelle ich der Logineo NRW LMS zum Start hier im Blog auch ein gutes Zeugnis aus.
Allerdings liefert das Land in der Folge kaum weitere Unterstützung: Vor allem Grundschulen sind mit der komplexen Administration eines Moodle-Systems überfordert, das mehr oder weniger ohne Unterstützung bei ihnen abgeladen wird. Es gibt in den kommenden Jahren kaum Materialien, keinen ernsthaften Aufbau einer Community oder Vernetzung von Schulen – obwohl sogar das System selbst das alles technisch zulassen würde. So wird Logineo NRW LMS zu einer vertanen Chance die viele Schulen links liegen lassen.
Nicht besser läuft es mit dem dritten Mitglied der Logineo-Familie. Ende 2020 wird der Logineo NRW Messenger ausgerollt: Es handelt sich hier um eine Lösung auf der Basis des Open-Source-Messengers „Element“. Selbst erfahrene Admins bei den Schulen verzweifeln an der Konfiguration. Kaum eine Schule ist zufrieden mit der Lösung. Aber in Zeiten von Schulschließungen müssen die Verantwortlichen in den Schulen nehmen, was sie (kostenlos) kriegen können.
Die Veröffentlichung wird von der Landesregierung als Teil einer Open-Source-Strategie verkauft. Grundsätzlich ist es natürlich zu begrüßen in Schulen offene Software zu verwenden. Das Problem der Familie ist aber: Die verschiedenen Bausteine kommunizieren nicht miteinander. Schulen die alle drei Logineos nutzen, müssen drei unterschiedliche Plattformen selber administrieren inklusive der aufwändigen Nutzerverwaltung. Wiederholt wird angekündigt, dass die Bausteine verknüpft werden sollen. Geschehen ist das bis heute nicht. Auch eine Single-Sign-On-Vernetzung mit anderen Plattformen wird blockiert, wie man aus gut unterrichteten Kreisen hört.
So richtig scheint die Ministerin Gebauer auch nicht zu wissen, wie Logineo NRW weiterentwickelt wird. In der Anfang 2022 kurz vor den Landtagswahlen von der Ministerin veröffentlichten „Digitalstrategie Schule NRW“ ist Logineo NRW zwar fester Bestandteil. Es fehlt aber komplett eine Roadmap zur Weiterentwicklung der Plattformen.
Vielleicht auch deshalb kann Gebauer und die FDP im Wahlkampf mit dem Thema Digitalisierung im Wahlkampf nicht punkten. Die Partei verliert mehr als die Hälfte ihrer Stimmen. Es gibt nicht wenige, die dieses Ergebnis auch Yvonne Gebauer persönlich zuschreiben.
Akt Drei in Schwarz: Der Zukunftscheck!?
Auf die schwarz-gelbe Koalition folgt aufgrund des Absturzes der FDP eine schwarz-grüne. Das Kultusministerium geht an die CDU. Vielleicht auch weil der Vorgängerin Gebauer vor allem Chaos beim Krisenmanagement während der Corona-Pandemie vorgeworfen wurde, macht Ministerpräsident Hendrik Wüst die Verwaltungsexpertin Dorothee Feller zur Ministerin, die zuletzt die Bezirksregierung in Münster geleitet hatte.
Die neue Regierung scheint allerdings keine Pläne in der Schublade für die Zukunft von Logineo zu haben. Im Koalitionsvertrag vereinbaren CDU und die Gründen, Logineo einem Zukunftscheck zu unterziehen. Kultusministerin Feller beauftragt im November 2022 das Fraunhofer-Institut Fokus, „gründlich, gewissenhaft und ergebnisoffen“ zu prüfen. Dabei gibt es auch Gespräche mit aktuellen Nutzerinnen der Plattform.
Im März 2023 werden dann endlich die Ergebnisse veröffentlicht. Fazit: „Das Fraunhofer-Team hat festgestellt, dass unseren Schulen mit LOGINEO NRW ein stabiles Angebot zur Verfügung steht, das zurzeit und in den nächsten Jahren alle wesentlichen Funktionen für das Lernen, die Kommunikation und die Organisation von Schule erfüllt.“
Natürlich haben die Experten von Fraunhofer auch Vorschläge für die Weiterentwicklung. Die von der Landesregierung veröffentlichten Empfehlungen entsprechen ziemlich genau dem, was wirklich alle Kenner des Systems der Ministerin bei einer Tasse Kaffee hätten erzählen können: Zusammenführung der System, Office, Schnittstellen zu anderen Lernangeboten, zusätzliche Investitionen und eine Website mit Unterstützungsangeboten. In dem ausführlichen Papier der Fraunhofer finden sich tatsächlich noch detailliertere Hinweise. Diese lesen sich aber teilweise eher wie eine Buzzword-Sammlung (KI! Gamification! Learning Analystics!)
„Im Sommer“ will die Ministerin nun eine Entscheidung über die Zukunft von Logineo NRW treffen. Zu hoffen ist, dass dann ganz konkrete Schritte zur Weiterentwicklung der Plattform angekündigt werden. Denn ein Online-Office gibt es bis heute nicht bei Logineo – rund sieben Jahre nach dem ursprünglich avisierten Starttermin 2016. Womöglich wird aber erst noch eine Expertenkommission gebildet? Oder eine IT-Beratung beauftragt? Die Schulen tappen dazu weiter im Dunkeln, als die Sommerferien beginnen.
Eine Überraschung werden zumindest die Nutzer*innen von Logineo LMS nach den Sommerferien in jedem Fall erleben: Die Seite präsentiert sich in vollkommen neuen Design. Während der Ferien wurde die Seite auf die Moodle-Version 4.1 umgestellt. Der zentrale Bestandteil der neuen Version ist eine Überarbeitung des User-Interface. Tendenziell ist die Bearbeitung der Inhalte für Lehrkräfte nun etwas intuitiver geworden. Aber eben auch schlichtweg anders.
Hilfreich wäre dabei alleine schon Transparenz gewesen: Wann genau erfolgt die Umstellung? Welche Unterstützung wird es geben? Worauf müssen Schulen achten? Kurz vor den Ferien gab es aber nur tröpfchenweise Informationen, die zudem auch nicht an alle Nutzer gingen, sondern über die Schulleitungen und die Logineo-Website kommuniziert wurden. Zahllose Lehrkräfte und Schüler:innen in NRW stoßen daher zu Beginn des Schuljahres auf eine Plattform, die anders funktioniert, als sie das gewohnt sind. Die Folge wird sein, dass nicht wenige die Nutzung der Plattform aufgeben werden. Die Digitalisierung an den Schulen tritt also weiter auf der Stelle, statt voran zu kommen.
Und die Moral von der Geschichte?
Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland mit der größten Bevölkerung: Mit rund 18 Millionen Einwohnern wäre es für sich genommen schon eines der größten Länder in der EU – noch vor Ländern wie den Niederlanden, Schweden oder Griechenland. Umso beschämender ist es, dass dieses große Land auch nach vielen Jahren nicht schafft, den Schulen IT-Plattformen zur Verfügung zu stellen, die grundlegende Anforderungen der Schulen erfüllen.
Was kann man aus diesem Scheitern lernen? Im Folgenden möchte ich einige zentrale Voraussetzungen erläutern, die erfüllt sein müssen, dass Schulen erfolgreich mit IT-Plattformen arbeiten können.
1) Bereitstellung grundlegender Funktionen als vorrangiges Ziel
Sicherlich kann man sehr lange darüber streiten, welche Funktionen eine Schulplattform haben sollte. Aber es gibt dann doch einige grundlegende Bestandteile, die alle Schulen brauchen – etwa E-Mail, Messenger, Cloud-Speicher, Kalender, Online-Office und Lernmanagement-Funktionen. Dazu kommt die Notwendigkeit einer einfachen Nutzerverwaltung mit Single-Sign-On für alle Bestandteile.
Landesregierungen sollten sich darauf konzentrieren, diese Basis-Infrastruktur möglichst zeitnah abzudecken, statt Geld in für Schulen sekundäre Funktionen wie den „Online-Brockhaus“ zu stecken.
2) Transparenz als Grundlage für Planungssicherheit
Digitalisierung ist inzwischen ein zentraler Bestandteil von Schulentwicklung. Dazu gehört aber inzwischen immer auch Technologie-Entwicklung – egal ob es um die Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit oder der Verwaltung geht. Es ist daher essentiell zu wissen, welche digitalen Werkzeuge künftig zur Verfügung stehen.
Für Logineo gab es aber nie eine transparente Roadmap. Und wenn einzelne Termine genannt wurden, wurden diese so gut wie nie eingehalten. Die Folge: Schulen konnten und können immer noch nicht ihre Zukunft mit Logineo planen: Wer sich auf die Aussagen der Landesregierung verlässt, wartet nun schon seit 2016 vergeblich auf eine voll funktionale Schulcloud. Vermutlich aufgrund dieser Erfahrung, haben die Verantwortlichen in Düsseldorf inzwischen aufgehört konkrete Pläne zu veröffentlichen. Das muss sich ändern, wenn Schulen die Digitalisierung systematisch voran bringen sollen.
3) Klarheit beim Datenschutz
Wohl auch aufgrund der unklaren Perspektive bei Logineo gibt es viele Schulen in NRW, die andere IT-Lösungen gesucht und gefunden haben – vor allem Microsoft 365 erfreut sich großer Beliebtheit. Aber auch hier herrscht seit Jahren Unklarheit – diesmal in Sachen Datenschutz. Die Datenschutzkonferenz DSK hatte Ende 2022 zwar nochmal darauf hingewiesen, dass eine datenschutzrechtkonforme Nutzung in Schulen aus Sicht der Experten nicht möglich sei.
Das Ministerium in NRW duldet den Einsatz aber offenbar: „Aus Sicht des MSB ist somit insgesamt ein generelles Verbot der Verwendung von MS-Produkten weiterhin derzeit nicht angezeigt.“ Letztlich schiebt das MSB damit aber die Verantwortung an die einzelnen Schulen, die hier zwischen den Rechten der Schüler*innen auf Datenschutz und auf Bildung abwägen müssen.
Aus dieser Zwickmühle müssen die Schulleitungen endlich befreit werden. Dazu gehört, dass endlich klare Vorgaben veröffentlicht werden, an denen sich die Schulen orientieren können: Welche Dienste dürfen wie genutzt werden? Wünschenswert wäre dabei nicht zuletzt auch politischer Druck auf die Konzerne, die Plattformen für Schüler*innen zur Verfügung stellen, endlich datenschutzkonforme Nutzung sicherzustellen.
4) Hilfe bei der Administration
Die Administration von Lern-Plattformen bedeutet großen Aufwand: Insbesondere bei Moodle sind die Einstellungsmöglichkeiten unendlich groß. Dazu kommt der große Aufwand bei der Nutzerverwaltung: Mangels Schnittstellen müssen für jede Plattform die Nutzerdaten einzeln importiert und gepflegt werden.
Es ist daher umso absurder, dass es nur für die Nutzung der Schulplattform Logineo NRW eine Entlastungsstunde gibt: Ein Lehrer an der Schule muss also eine Stunde weniger pro Woche unterrichten. Schulen die LMS oder Messenger nutzen, bekommen dagegen keinerlei personelle Ressourcen. Dabei ist die Administration genauso aufwändig.
Ob sich an den Schulen jemand findet, der die Administration leisten kann, ist daher eher Glückssache. Vor allem Grundschulen, die oft unterbesetzt sind, haben oft gar keine Ressourcen, um die Administration zu leisten. Gerade aufgrund des Lehrkräftemangels ist es wichtig, dass hier – ggf. auch in Kooperation mit den Städten und Gemeinden als Schulträgern – eine Übernahme dieser Administration-Aufgaben durch andere Stellen sicher gestellt wird.
5) Verlässlicher Support
Die Einarbeitung in ein neues System bedeutet immer auch einen Aufwand. Umso wichtiger ist es bei IT-Systemen, dass ein verlässlicher Support zur Verfügung steht. Viele Schulen können genau dies aber mangels Ressourcen (siehe oben) nicht intern organisieren. Umso wichtiger wäre es daher, dass für alle Nutzer*innen externe und niedrigschwellige Anlaufstellen zur Verfügung stehen, um bei Fragen schnell helfen zu können.
Schulen in NRW können sich zwar an die kommunalen Medienberater*innen wenden. Diese mit einigen Stunden abgeordnete Lehrkräfte haben aber schlichtweg nicht die Ressourcen, Lehrkräften im Alltag zu unterstützen. Das gleiche gilt für den derzeit möglichen Online-Support beim Land: Hier dürfen nur Admins Anfragen stellen – und müssen teilweise lange auf Antworten warten. Wenn das Land möchte, dass Lehrkräfte die Plattformen vollumfänglich nutzen, muss auch vollumfänglicher Support geleistet werden.
6) Community-Management
In Zeiten des Fachkräftemangels ist es zumindest nachvollziehbar, dass die Ressourcen für Support begrenzt sind. Umso wichtiger wäre es, Möglichkeiten zu schaffen, dass sich Nutzer:innen der Plattformen schulübergreifend austauschen können: Alleine schon ein Forum wäre ein Gewinn, damit sich Nutzer austauschen können. Solche öffentlichen Boards sind auch eine Entlastung für den Support.
Wünschenswert wären insbesondere aber auch Möglichkeiten zum Austausch von Materialien: Moodle als Lernmanagementsystem bietet eigentlich die Möglichkeit komplette Lerneinheiten auszutauschen: Diese könnte eine Entlastung aller Lehrkräfte im Land ermöglichen.
Hilfreich wären für den Austausch wäre auch die Organisation von Veranstaltungen. So könnte man zum Beispiel regelmäßige Logineo-Barcamps ausrichten, die auch einen Beitrag zur Vernetzung leisten würden.
Zu einem Community-Management müsste zudem auch ein ständiger Dialog mit den Nutzer*innen gehören. Dazu gehört es, transparent und fortlaufend über die Pläne zu informieren. Nutzer*innen sollten wissen, was geplant ist, welche neuen Funktionen sie erwarten. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig für die Verantwortlichen zu wissen, wo der Schuh drückt, welche neuen Funktionen gebraucht werden.
7) Systematisches Portfolio-Management
Die verschiedenen Logineo-Bausteine passen bis heute nicht wirklich zusammen. Es fehlt sowohl ein gemeinsamer Login als auch die Möglichkeit die einzelnen Systeme per Schnittstellen zu verbinden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Paket unter dem politischen Druck während der Corona-Pandemie zusammengestellt wurde.
Wenn Lernplattformen funktionieren sollen, muss aber das gesamte Portfolio aus einem Guss geplant und umgesetzt werden. Nur dann entwickeln die einzelnen Bauteile ihr volles Potential. Derzeit muss (zumindest in NRW) jede Schule selber eine funktionierende Kombination aus verschiedenen Plattformen zusammen puzzeln.
Eine gute Lernplattform erlöst die Schulen von dieser Aufgabe, weil sie ein aufeinander abgestimmtes Portfolio bietet. Dazu gehören auch kleinere Ergänzungen wie Zugänge zu Plattformen für Lernmaterialien oder Schnittstellen zu anderen Plattformen. NRW ist durch seine schiere Größe interessant genug für private Anbieter, um Schnittstellen bereit zu stellen. Wichtig wären dabei vor allem weit verbreitete Plattformen wie (Web)-Untis oder iServ.
8) Nutzer-orientierte (Weiter)-Entwicklung
Ein Dialog mit den Nutzer:innen muss die Grundlage sein für die (Weiter-)Entwicklung einer Lernplattform. Nur die Menschen in den Schulen wissen, was sie wirklich brauchen. Wünschenswert wäre daher hier eine agile, iterative Fortentwicklung der Plattform, die auf ständigem User-Research und Austausch mit Lehrkräften, Schüler:innen und Eltern basiert.
Wenn es Neuerungen gibt, müssen diese möglichst transparent ausgerollt werden. Dazu gehört es, dass direkt Anleitungen und Praxis-Beispiele veröffentlicht werden, die auch alle Nutzer erreichen. Für diesen ständigen Dialog mit den Nutzern müssen Kommunikationskanäle in beide Richtungen geschaffen werden – ein Entwickler-Blog wäre schon ein großer Fortschritt.
Gerade weil man auf Open-Source-Plattformen setzt, muss ein großes Land wie NRW übrigens nicht auf Entwicklungen von Konzernen warten. Die Landesregierung könnte auch gezielt die Entwicklungen der Open-Source-Communities von Moodle und Co. fördern. In jedem Fall sollte aber nicht immer von jeder neuen Landesregierung das Rad neu erfunden werden, sondern auf eine kontinuierliche Fortentwicklung gesetzt werden.
9) Schlagfertige Teams sorgen für Kontinuität
Meinem Eindruck nach ist es ein Problem, dass sich in NRW schlichtweg zu wenig Menschen um die Logineo-Plattformen kümmern. Es genügt einfach nicht, wenn Länder nur eine Software einkaufen. Community-Management, nutzer-orientierte Weiterentwicklung, Support oder Bereitstellung von Materialien ist nur möglich, wenn sich eine schlagfertige Gruppe von Profis um die Plattform kümmert.
Dafür braucht es ein multiprofessionelles Team, das unter anderem aus IT-Fachleuten, Projektmanager*innen oder Lehrkräften besteht. Hier müssen schlichtweg Stellen geschaffen und Profis eingestellt werden, die auch unabhängig von den ständig wechselnden politischen Machtverhältnissen dauerhaft für funktionierende Schul-Plattformen sorgen.
10) Länderübergreifende Zusammenarbeit
Gerade weil es offenbar aufwendig ist, eine tragfähige Lösung für Schulplattformen zu finden, stellt sich die Frage, warum überhaupt jedes Bundesland eine eigene Lösung entwickelt. Dazu kommt, dass der Bund offenbar keine große Hilfe ist. Der entwickelt eine Nationale Bildungsplattform offenbar, ohne sich dabei sinnvoll mit den Ländern über eine Vernetzung abzustimmen. Umso wichtiger wäre es, dass Bund und Länder endlich produktiv und konstruktiv bei der Bereitstellung von IT-Plattformen für Schulen zusammen arbeiten.