Kreativität, Kommunikation, Kollaboration und Kritisches Denken: Diese „4K“ haben in den vergangenen Jahren im Internet-Lehrerzimmer eine tragende Rolle in Diskussionen über das Lernen von Morgen gespielt. Ohne Zweifel können die 4K eine Orientierung für vielfältigeres und abwechslungsreiches Lernen bieten. Als Leitidee für die Gestaltung der Schulen von morgen taugen sie nicht.
Ein Grund, warum ich gerne an Bildungs-Barcamps wie dem Educamps teilnehme, ist der gemeinsame Geist unter den Teilnehmern: Hier treffen sich Lehrer*innen, die Lust haben Unterricht und Schule weiter zu entwickeln. „Ich möchte Schulen weiter entwickeln“ ist ein Satz, den hier wahrscheinlich fast alle unterschreiben würden.
Doch allein der Wille zur Veränderung ist nicht zielführend, sondern kann zu blinden Aktionismus führen. Umso wichtiger ist es daher, Werte und Ideen zu formulieren, die bei der Schulentwicklung leitend sind.
Ein prominenter Leitidee-Kandidat, der durch das Internet-Lehrerzimmer und die Edu-Barcamps geistert, sind die 4K. 4K steht als Abkürzung für Kreativität, Kommunikation, Kollaboration und Kritisches Denken. Genauere Informationen zu den 4K gibt es zum Beispiel im Blog von Jöran Muuß-Meerholz oder Dejan Mihajlovic. Die wunderschöne 4K-Illustration stammt von Kristina Wahl.
Ins Spiel gebracht wurde dieser manchmal als „21st Century Skills“ bezeichnete Kompetenzen-Kanon von Andreas Schleicher, OECD-Direktor für Bildung und Verantwortlicher für die PISA-Studien. Die Förderung der 4K sollen demnach eine geeignete Grundlage sein, um die Schüler*innen für die zukünftigen Herausforderungen in einer zunehmend automatisierten (Arbeits-)Welt fit zu sein.
4K können Lernaufgaben vielfältiger und abwechslungsreicher machen
Die These lautet daher: Guter und zeitgemäßer Unterricht sollte die 4K fördern. Die Qualität von Aufgaben oder Lernsettings lässt sich auf dieser Basis einfach prüfen, indem man sich die Frage stellt: Trägt mein Unterricht zur Förderung der 4K-Kompetenzen bei? Meine persönliche Erfahrung ist, dass die 4K-Prüfung tatsächlich dabei hilft, interessantere, offenere und somit auch schülergerechtere Aufgaben zu konzipieren. Das ist nicht selbstverständlich, da Aufgaben im Schulalltag meist sterbenslangweilig sind – auch weil Schulbücher oft keine guten Grundlagen bieten.
Aber: Aus meiner Sicht sind die 4K keine geeignete Leitidee dafür, die Schulen von morgen zu gestalten. Oder anders formuliert: Zukunftstaugliche Bildung ist viel mehr als 4K. Ich werde diese These in diesem Beitrag begründen. Ich versuche dabei nicht zu zeigen, dass der Anspruch falsch ist, dass Schule 4K fördern muss. Ich unterstelle auch niemandem, dass er behauptet, die 4K würden alleine beschreiben was Bildung ausmacht. Insofern könnte man mir vorwerfen hier Strohmann-Argumente vorzulegen.
Das Ziel des Artikels ist vielmehr, daran zu erinnern, dass die Aufgabe von Schule etwas viel komplexer ist und nicht auf 4K reduziert werden sollte: Denn so gut der Anspruch ist, Kreativität, Kommunikation, Kollaboration und Kritisches Denken zu fördern – als alleinige Leitidee kann er doch den Blick verengen, was zukunftstaugliche und schülergerechte Bildung erfordert.
1) Es geht nicht ohne Wissen
Es scheint fast so, dass Wissen in den vergangenen Jahren aus der Mode gekommen ist: In den Lehrplänen werden inzwischen vor allem Kompetenzen gefordert. Lästerlich könnte man fragen, wozu man in den Schulen überhaupt noch Wissen vermittele, wenn doch alle Informationen der Welt mit wenigen Mausklicks verfügbar seien.
Wissen ist aber eben nicht gleichzusetzen mit Informationen. Ich verstehe Wissen als Informationen, die Menschen sich zu eigen gemacht haben, die sie verändert haben. Erst der Prozess der persönlichen Aneignung von Informationen zu Wissen macht den Lernprozess zum Bildungsprozess.
So verstandenes Wissen ist letztlich auch der Schlüssel zu einem reichhaltigen Leben und für ein gelingendes Zusammenleben in der Gesellschaft. Damit Schüler*innen etwa die Würde des Menschen achten, müssen sie wissen, was dieser facettenreiche und kaum greifbare Begriff Würde bedeutet. Eine Definition aus einem Internetlexikon kann dies nicht leisten. Erforderlich ist dazu eine möglichst vielfältige und interdisziplinäre Auseinandersetzung.
Die richtigen Inhalte können dabei den Wissens- und Denk-Horizont erweitern: Die Kenntnis von Theorien, Kunstwerke oder Sprachen lässt Menschen anders auf die Welt blicken. Es gilt neu darüber nachzudenken, welche Kulturgüter in einer globalisierten Welt besonderen Bildungswert besitzen. Die 4K helfen als Leitidee bei diesem Auswahlprozess nicht.
Dass 4K ohne Wissen nicht funktioniert, ist übrigens auch Schleicher und Co. klar:
2) Es fehlen wichtige Grundlagen für ein gelingendes (Zusammen)-Leben
Eine der wichtigsten Facetten von Bildung ist die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Im Zentrum dieses Prozesses stehen die Fragen „Wer bin ich?“ oder „Was für ein Mensch möchte ich sein?“. Aus meiner Sicht fehlt in den 4K dieser Anspruch an Bildung.
Die Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit ist nicht zuletzt deshalb unerlässlich, weil sie die Grundlage für autonomes Handeln ist. Kreativität und Kritisches Denken scheinen mir zwar Facetten der Autonomie zu sein, allerdings erschöpft sich Autonomie nicht in ihnen. Denn beide Fähigkeiten lassen sich auch in geschlossenen Lernsettings trainieren und anwenden, in denen die Maßstäbe des Handelns weiter von außen vorgegeben werden: Kritisches Denken und Kreativität brauchen Schüler*innen auch, wenn sie die Aufgaben lösen, die ihnen ein Lehrer stellt.
In diesem Zusammenhang ist wichtig daran zu erinnern, dass Autonomie noch nicht gewährleistet ist, wenn Schüler*innen selbstgesteuert arbeiten. Carsten Roeger hatte in einem Gastbeitrag schon erläutert, dass die Förderung von selbstgesteuertem Lernen nicht mit der Förderung von Autonomie gleichzusetzen ist.
Aber auch das Zusammenleben mit anderen Menschen wird durch eine Förderung der 4K nur begrenzt befördert. So kann man gelingende Kollaboration und Kommunikation meistern ohne Empathie: Voraussetzung dafür ist lediglich die Gestaltung von Prozessen, die auch ohne persönliche Verbindung zum Gegenüber funktionieren. Und dennoch wird wohl kaum jemand ernsthaft die Position vertreten, Empathie sei kein grundlegendes Ziel von Bildung.
Empathie sollte dabei möglichst nicht auf den direkten Gegenüber begrenzt. In einer globalisierten Gesellschaft, die Menschen auf der ganzen Welt miteinander vernetzt, ist Empathie auch wünschenswert mit Menschen auf der anderen Hälfte des Globus. Nur wer mit Menschen fühlt, wird sich mit ihnen solidarisieren. Das kann man lernen. Aber das muss man eben auch lernen.
Solidarität ist nicht zuletzt auch eine entscheidende Grundlage für die Demokratie. Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt: Demokratie muss verteidigt werden. Schulen können dazu beitragen, indem sie Schüler*innen das Rüstzeug vermitteln, sich aktiv am Gemeinwesen zu beteiligen. Die dazu nötigen Fähigkeiten sind ein komplexes Bündel von Wissen, Haltungen und Kompetenzen, die weit über 4K hinaus gehen. Dabei ist es vor allem von herausragender Bedeutung, dass Schüler*innen schon von möglichst früh auch in der Schule in Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
3) 4K besteht nicht den Liebeskummer-Test
Ich habe in meinem vergangenen Beitrag mein Unbehagen am Schulsystem: Ich glaube nicht, dass unsere Schulen schülergerecht sind. Die Strukturen sind größtenteils darauf ausgelegt, Fächer zu unterrichten und nicht Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern. Insofern sind für mich Leitideen für Reformen dann wirklich tragfähig, wenn sie als Richtschnur dienen können, Schulen schülergerechter zu machen. Die 4K sind dazu aus meiner Sicht nicht oder nur eingeschränkt geeignet.
Das lässt sich leicht mit Hilfe des Liebeskummer-Tests zeigen, den ich kürzlich entwickelt habe. Neulich berichtet eine Kollegin, dass sich in ihrer Klasse ein Liebes-Paar getrennt habe. Ein Partner habe nun Liebeskummer und halte es kaum noch im Klassenraum aus. Was mir in diesem Moment klar wurde: Unser Schulsystem leistet im Normalfall keinerlei Beitrag dazu, dass Schüler*innen besser mit solchen Problemen umgehen zu können. Dabei ist Liebe und Partnerschaft einer der zentralen Teile unseres Lebens. Nun könnte man einwenden, dass Liebe auch im jetzigen Schulsystem nicht thematisiert wird. Und da kann ich nur antworten. Ja, verdammt nochmal. Das ist das Problem.
Auf dieser Beobachtung beruht der Liebeskummer-Test: Eine gute Schule sollte Schüler*innen in solchen Lebenssituationen unterstützen und ihnen dabei helfen, auch künftig diese und andere persönliche und gesellschaftlichen Krisen zu bewältigen. Oder anders formuliert: Leit-Ideen, die nicht dazu führen, dass Schulen jungen Menschen dabei helfen mit Liebeskummer umzugehen, sind keine schülergerechten Leitideen.
Und 4K ist bei der Lösung von Liebeskummer-Problemen keine Lösung: Der Mensch mit seinen persönlichen Problemen taucht hier überhaupt nicht auf. Insofern zeigt dieser Ausblick auf die Liebe auch, dass der 4K-Begriff in vielerlei Hinsicht keinen Beitrag leistet, Schulen schülergerechter zu machen.
4) 4K liegt ein verengtes Menschenbild zugrunde
Wenn man untersucht, ob Werte leitend für die Gestaltung einer Gesellschaft sein können oder sollen, hilft es immer dabei, darauf zu achten, welches Menschenbild ihnen zugrunde liegt. In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass die 4K aus dem Umfeld der OECD kommen, die Bildung aus einer wirtschaftsnahen Perspektive betrachtet. Die 4K ergeben sich dabei als Teil einer Argumentationskette, die von einem sich veränderten Arbeitsmarkt ausgeht: Durch Automatisierung werden andere Anforderungen an Arbeitnehmer gestellt, insofern müssen die Schule auch andere Qualitäten fordern.#
Ich möchte eine Bildung, deren Denk-Ausgangspunkt einzig und allein die Schüler*innen und ihre Potentiale und Bedürfnisse sind. Das bedeutet sicherlich nicht, sich verändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen auszublenden. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die beste Vorbereitung auf eine ungewisse Zukunft ist, jeden einzelnen Menschen in seiner Individualität, seiner Autonomie und seinen sozialen Bindungen zu fördern.
Was mir wichtig erscheint: Nimmt man die klassischen Ansprüche von Bildungstheoretikern und Reformpädagogen ernst, sind die 4K nahezu automatisch ein Nebenprodukt. Denn eine Bildung die sich an den Bedrüfnissen und Potentialen der Schüler*innen orientiert, wird automatisch auch ihre Kreativität, und ihre Fähigkeiten zur Kommunikation, Kollaboration und Kritischem Denken fördern.
Fazit: 4K sind nur eine Facette von guter Bildung
Die 4K können aus meiner Sicht im Hinblick auf die Schaffung einer neuen Aufgabenkultur einen Beitrag leisten – insofern können sie eine Facette einer Leitidee der Reform von Schule von morgen bilden. Die Anforderungen an Schulen sind im 21- Jahrhundert aber deutlich umfassender. Um Konzepte für ein schülergerechtes Lernen in den Schulen von morgen zu gestalten, erscheinen mir der Begriff Bildung und die Ansätze der Reformpädagogik deutlich tragfähigere Konzepte zu sein.
Ich habe in Blogbeiträgen daher bereits gesucht, inwiefern klassische Bildungstheorien und auch die Qualitätsmaßstäbe der Reformpädagogik dabei helfen können, sinnvoll über gute Schule nachzudenken – auch unter den Bedingungen der Digitalisierung .
Die 4k sind keine „Leitidee“ und auch kein Modell. Es sind die allgemeinst formulierten wichtigsten Lernziele, die in Gegenwart und Zukunft erreicht werden müssen. (Begriffsklarheit ist unverzichtbar für „kritisches“ Denken.
Bisher waren diese 4 Fähigkeiten , in denen – eigentlich selbstverständlich – Wissen und Können und Wollen – enthalten (besser: im dialektischen Sinne aufgehoben) sind, alles andere als vorrangig in der schulischen Bildung. Sie werden dringend gebraucht – und zwar massenweise, nicht bloß bei „Eliten“, um die weltweit anstehenden Probleme der Menschheit zu bearbeiten.
Was „Kritisches Denken“ bedeutet, habe ich hier erläutert:
https://shiftingschool.wordpress.com/2017/02/17/kritisch-denken-lernen-fuer-alle-kern-der-literacy-von-heute-und-morgen/
Und die anderen 3 K kann man bei Andreas Schleicher nachlesen – wenn man wirklich etwas kompetent dazu kritisieren möchte, muss man schließlich den Gegenstand der Kritik genau kennen.
Hier wäre eine Gelegenheit, durch Lektüre die Bildungslücken diesbezüglich zu schließen:
https://www.oecd.org/education/Global-competency-for-an-inclusive-world.pdf
Oder hier bereits von 2005 ! Definition und Auswahl von Schlüsselkompetenzen (1. kompetenter Umgang mit der eigenen Person; 2. Umgang mit Anderen; 3. Umgang mit Medien) http://www.oecd.org/pisa/35693281.pdf
Und wer den Kompetenzbegriff nur danach beurteilt, was die Schuladministration in den deutschen Bundesländern daraus fürs operative Geschäft gemacht hat, indem er die Schlüsselkompetenzen „runtergebrochen“ hat, ohne Sinn und Verstand, dem könnte der Hinweis aus historischer Erfahrung nutzen, dass in bestehenden Verhältnissen die ersten Versuche zu einen Paradigmenwechsel meistens vom System verschluckt, d.h. verdreht werden, wie der Kompetenzbegriff, oder ignoriert, wie die Reformpädagogik des 20. Jh.
Denjenigen , für die der Kompetenzbegriff als verbrannt gilt, sei gesagt:
Wir 4Kler hängen nicht an dieser Bezeichnung, wohl aber an dem ursprünglich von ihr Bezeichneten:
Nach Franz E. Weinert ist Kompetenz „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“
Oder kurz (A.S.): „Heute interessiert nicht mehr, was die Menschen wissen (tacit knowledge), sondern was sie damit anfangen können.“ Keine Rede davon, es wäre kein Wissen mehr nötig, sondern „nur noch“ Kompetenz. Im Gegenteil, es ist sogar eine höhere Form von Wissen nötig.
Vielen Dank für die Ergänzungen, Klarstellungen und Verweise, die sehr hilfreich sind fürs Weiterdenken.
Ich verstehe meinen eigenen Artikel jetzt, glaube ich, noch mal besser:
4K sind ohne Zweifel wichtige Kompetenzen, die es als Lernziele zu fördern gilt. Sie sind aber eben keine keine Leitidee, die für sich genommen alleine die Entwicklung von Schulen tragen können.
Es sagt doch auch keiner – weder Schleicher, noch Fadel et al. noch Dejan, dass die 4K „Leitideen“ wären, die „für sich genommen Schulentwicklung tragen“ würden. Das eben ist ein Vorwurf, der überhaupt nicht zutrifft, ein Popanz. Ziele sind Ziele. Nicht mehr und nicht weniger. Aber sie haben Konsequenzen für den Unterricht, wenn sie erreicht werden sollen. Kritisch Denken lernen kann man nun mal nicht, wenn Ergenbnisse vorher festliegen, wenn nicht an den eigenen Fragen problemorientiert gearbeitet werden darf, sondern systematischer Lehrgangsunterricht abgearbeitet werden muss. Denken lernen geht nun mal nur, indem man es tun darf – und nicht bloß die Denkergebnisse anderer nachplappern lernt. Man kann auch nicht Marathon laufen lernen, wenn einem das Lauftraining nicht gestattet wird. So aber ist im Grunde der herkömmliche Unterricht. Die 4k mögen als Ziele genannt werden und man behauptet in den Lehrplänen, sie verfolgen zu wollen – aber der Unterricht passt nicht dazu. Er KANN diese Ziele nicht erreichen, denn sie werden nicht dadurch erreicht, dass man sagt, man möchte sie fördern, sobdern nur und ausschließlich durch die zu den Zielen passenden Lernumgebungen und Methoden.
Ich habe doch im Text ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er weder als Vorwurf an irgendwen noch als Kritik an 4K zu verstehen ist. Und ich betone im Artikel ausdrücklich, dass 4K, wenn man sie ernst nimmt, Unterricht verbessern kann.
Ich kann die Kritik von Lisa Rosa gut nachvollziehen. Als 2003 die erwähnte DeSeCo-Studie erschien, war ich geradezu elekrisiert und habe sofort versucht, den Ansatz in meiner damaligen Schule produktiv zu machen im Sinne von Programmatik, Leitideen, Zielen oder wie immer man das nennen mag – auf jeden Fall als Anleitung zum konkreten Handeln in allen relevanten Bereichen. Später war ich entsetzt über die reduzierte Form, in der das Kompetenzmodell in DE ankam. Von der klugen Reduzierung à la Weinert auf die drei im Prinzip allumfassenden Bereiche blieb nur eine peinliche Reduzierung auf unterrichtsbezogene Kompetenzen (neben den Einleitungsfloskeln in den Lehrplänen, die niemand las). Heute müssen wir uns in DE erst wieder mühsam an die ursprüngliche Diskussion herantasten, wobei die umfassend verstandenen 4C’s ein guter Ansatz sind, aber eben nicht nur, um bessere Aufgaben zu erstellen. In Ländern wie Kanada oder Neuseeland wird zur Zeit eine Erweiterung versucht durch zwei neue C’s: Citizenship und Character. Dies ist sicher nicht zwingend, aber es zeigt das Bewusstsein dafür, dass man über den 4C-Ansatz ein umfassendes Konzept erarbeiten will, das geeignet ist, eine pädagogische Praxis zu ermöglichen, die den ganzen Menschen und die ganze Gesellschaft erfasst. Letztlich entscheidend ist ja immer, inwieweit die Pädagogik dem Einzelnen hilft, sich selbst in der Gesellschaft zu entwickeln.
Hinter den von Dir genannten Character und Citizenship könnten ja womöglich sogar zwei Aspekte, die ich auch in meinem Artikel anspreche. Dass weitere Cs ergänzt werden, zeigt aber doch nochmal, dass den 4K etwas fehlt. Darauf verweist auch, dass das Framework im von Jöran übersetzten und von Schleicher promoteten „Die vier Dimensionen der Bildung“ (Siehe Tweet im Artikel) sehr viel breiter aufgestellt ist – 4K ist hier nur ein Standbein.
Davon abgesehen kann ich nur nochmal wiederholen: Die 4K können den Blick weiten. Aber sie bergen eben auch die Gefahr, dabei trotz erweiterter Perspektive an den Bedürfnissen der Schüler*innen vorbei zu gucken (siehe Liebeskummer-Test). Für diese Gefahr wollte ich sensibilisieren – vielleicht gerade deshalb, weil das 4K-Konzept oft nur verkürzt dargestellt wird.
Lieber Herr S.,
mir scheint, dass nicht nur, aber vor allem wir EthiklehrerInnen die Gefahr sehen, dass solch knapp heruntergebrochene Leitideen als Marketinginstrument missbraucht werden und damit den SchülerInnen kein wirklicher Dienst erwiesen wird. Deshalb kann ich Ihre Kritik sehr gut nachvollziehen- wir haben z.B. ein sehr schönes, ethischmoralisches Leitbild an der Schule, das aber leider keine Sau (verzeihen’s mir die Wortwahl) kennt, weil die Notenfixierung dann leider doch die Oberhand gewinnt.
Bei meinen Ethik-9ern, bei denen gerade das Thema „Liebe, Sex und Beziehung“ Thema ist, merke ich immer wieder, wie wichtig Jugendlichen Begleitung bei diesen Themen ist- das liegt aber sicher auch an einer vertrauensvollen Schüler-Lehrer-Beziehung, weil ich SuSen schon seit der 5. kenne, und natürlich an unserem wunderbaren Fach, das diese Begleitung explizit zur Aufgabe hat. Vor diesem Hintergrund würde mich Ihr Liebeskummer-Test wirklich sehr interessieren, genau das Thema war ihnen nämlich wichtig (ebenso wie „Wie führt man eine glückliche Beziehung?“;-)). Wäre es möglich, dass Sie mir den Test zukommen lassen? Natürlich nur, wenn’s keine Umstände macht…
Sehr herzliche Grüße von einer Kollegin aus BaWü,
E.M.
Danke für die freundliche Rückmeldung. Der Test steckt im Text und bezieht sich auf Leitideen zur Veränderung von Schulen. Nur wenn diese Leitideen dazu führen, dass Liebeskummer thematisiert wird, erscheinen sie mir schülergerecht.
Ich bin erst jetzt auf diesen Beitrag gestoßen. Anders als Lisa sehe ich die 4K durchaus als Leitidee und als Modell (ich weiß, dass die OECD das nicht so formuliert hat).
Anders als Dominik bin ich durchaus der Meinung, dass die 4K den Liebeskummer-Test bestehen. Liebe wäre ein sehr passendes 4K-Thema. Gerade auch Empathie und die eigene Person werden in diesem Modell aus meiner Sicht gut aufgegriffen.
Interpretiert man die 4K anders, dann sehe ich das durchaus als Strohmann-Kritik: Als eine Verteidigung von bestimmten Haltungen und didaktischen Formen gegen eine Neuerung (so zumindest lese ich das unsachliche Wissens-Argument gegen die Kompetenzorientierung).
Sicherlich ist es denkbar, Liebeskummer im Rahmen einer vom 4K-Modell geleiteten Schule zu behandeln. Aber ich sehe nicht, inwiefern 4K einen Imperativ dazu enthält, Schulen so zu verändern, dass Liebeskummer behandelt werden muss. Ich wäre hier dankbar für eine Rückmeldung: Wo wird das bei 4K aufgegriffen?
Es ist ja auffällig, dass im von Jöran übersetzten und von Schleicher promoteten 21st Century Education den 4K Character-Skils an die Seite gestellt werden. Das scheint mir doch ein Hinweis zu sein, dass auch deren Macher da Ergänzungsbedarf sahen. Das gleiche gilt ja wie gesagt für Wissen.
Mit Bezug darauf: Welches Argument ist inwiefern unsachlich?
Ich formuliere das einfach mal in meinem adaptierten Verständnis: Wenn Lernende und Lehrende in der Schule kommunizieren lernen sollen – dann ist doch Liebeskummer eine gravierende Störung in der Kommunikation. Liebe ist eine Form von Kommunikation; dort ist dieses Thema für mich klar verankert.
Das unsachliche Argument ist die Behauptung, es gäbe einen Kompetenzbegriff, der ohne Wissen auskommt. Das ist nicht so – lediglich einige ungünstige Operationalisierungen von Kompetenzen haben das so umgesetzt: Das ist aber ein Reflex davon, dass Kompetenzorientierung nicht zur Traditionellen Prüfungskultur passt, nicht ein Problem des Kompetenzbegriffs.
Das 4K-Modell so zu verstehen, als spiele die Entwicklung einer Persönlichkeit keine Rolle (beim kritischen Denken, bei der Kreativität, bei der Kommunikation?!), scheint mir recht seltsam. Klar kann man das ausformulieren, aber implizit ist das doch klar enthalten. Selbstverständlich könnte man auch von der Persönlichkeit ausgehen und würde dann auch zu den 4K gelangen…
So wie Du argumentierst, machst Du Dich natürlich ziemlich immun gegen Kritik an 4K, die auf Lücken hinweist. Denn Du behauptest einfach: Liebeskummer? Steckt in Kommunikation. Wissen? Ist Teil des Kompetenzbegriffes. Persönlichkeitsentwicklung? Läuft da sicher auch irgendwo mit. Mit stellt sich dann aber die Frage, warum wir nicht direkt Bildung als Leitidee nehmen. In diesem sehr reichhaltigen Begriff stecken die 4K nämlich auch alle drin. Warum also die 4K so prominent heraus greifen? Das scheint mir eben eher dazu zu sorgen, dass wichtige Bildungsziele nur am Rande behandelt werden.
Es ist nun mal etwas anderes, ob eine Leitidee Berührungspunkte zu etwas hat oder etwas dezidiert fordert. 4K schließt nicht aus sich mit Liebeskummer zu beschäftigen, sicher. Aus dem Leitideal der Reformpädagogik – der Mensch im Mittelpunkt – folgte das als Thema aber zwangsläufig. Das gleiche gilt für die Entwicklung der Persönlichkeit: 4K kann dazu beitragen, stellt es aber nicht in den Mittelpunkt.
Die zweite Frage, die ich an Dich habe: Wenn das alles in 4K drin ist, wieso ist dann beim 21st-Century-Learning-Framework 4K eben genau um Wissen und Charakter erweitert worden? Warum beschreibt Klaus Meschede oben in seinem Kommentar, dass in Kanada und Neuseeland die 4C um zwei weitere C’s mit Citizenship und Character . Das weist doch darauf hin, dass auch Menschen, die sich sehr intensiv damit beschäftigen, die Notwendigkeit sehen, das Modell zu ergänzen. Haben die das auch nur nicht richtig verstanden?
In meinen Augen sollten die 4K in den Unterricht mit einfließen, allerdings sollte die Vermittlung von Wissen das oberste Ziel sein. Dies kann natürlich durch die 4K gefördert werden. Zudem müsste ein Unterricht für Lebenssituationen geschaffen werden, in dem vorallem zwischen menschliche Interaktion vertieft werden und auch so banale Sachen, wie Bewerbungstraining und Steuererklärungen gemacht werden. Denn die wenigsten Schüler*innen wissen wie so etwas geht oder wie ein Bewerbungsgespräche abläuft. Um unsere Schüler*innen für einen guten Start in das Leben nach der Schule vorzubereiten, müssen wir ihnen helfen ihren Charakter zu formen und zu festigen.
Dies ist zu mindest meine Meinung