Zu Weihnachten darf man sich etwas wünschen. Wie viele andere Lehrer auch wünsche ich mir mehr Zeit, um meinen Job besser machen zu können. Damit Bildungspolitiker diesen Wunsch erfüllen können, erkläre ich, wie das geht.
Lehrerinnen und Lehrer haben zu wenig Zeit, um ihre Aufgaben in angemessener Qualität zu erfüllen. Das habe ich versucht in einer Reihe von Artikeln zum Zeitmangel zu zeigen. Wer gute Bildung will, muss Lehrer daher zeitlich entlasten. Wie das gehe könnte, möchte ich kurz erläutern.
Senkt das Pflichtstunden-Deputat!
Wer würde bestreiten, dass in den letzten Jahren, die Anforderungen an Lehrer gewachsen sind? Im Anschluss an den sogenannten PISA-Schock wurden zahlreiche Reformen durchgewunken, die in der Regel mehr Arbeit für die Lehrer bedeuten. Der Fortschritt der Lernforschung hat auch den Anspruch an guten Unterricht erhöht: Öffnung, Vernetzung, Individualisierung, Handlungsorientierung sind nur einige der Stichworte. Aber auch der beschleunigte gesellschaftliche Wandel stellt Schulen vor immer neue Aufgaben.
Trotz dieser gewachsenen Anforderungen haben die Bildungspolitiker in den Ländern in den vergangen Jahren gleichzeitig auch die Stundenzahl erhöht: Im Vergleich zum Beginn der 1990er Jahre ist die Pflichtstundenzahl in allen Schulformen in NRW gestiegen. Am Gymnasium müssen Lehrer mit einer Vollzeitstelle statt 23,5 nun 25,5 Schulstunden pro Woche unterrichten. Das bedeutet nicht nur 90 Minuten mehr Unterricht, den es vorzubereiten und duchzuführen gilt. In Nebenfächern entspricht diese Erhöhung einer zusätzlichen Lerngruppe mit 30 Schülerinnen und Schülern (SuS), die individuell gefördert werden müssen.
Sicher: Es ist kein Problem 25,5 Stunden pro Woche irgendwie zu unterrichten. Es ist aber nicht möglich, 25,5 Stunden auf qualitativ hohem Niveau zu unterrichten. Wer möchte, dass LuL kreativen Unterricht machen, interessante Aufgaben stellen, individuell fördern, fair bewerten und die Beziehung zu den SuS pflegt, muss die Zahl der Pflichtstunden senken.
Entlastet Berufseinsteiger!
Vor allem für Berufseinsteiger ist das Pflichtstundenpensum nur mit großen Abstrichen bei der Unterrichtsqualität zu bewältigen. Die jungen Kollegen müssen sich fachlich in viele Themen noch einarbeiten. Sie erproben viele Methoden und Ideen erproben zum ersten Mal. Und sie sind in der Regel noch auf der Suche nach einer gefestigten Lehrer-Persönlichkeit. Gerade beim Berufseinstieg sollte daher für einige Jahre das Stundenkontingent gesenkt werden und dann nach und nach angehoben werden.
Fördert Team-Work!
Der wohl einfachste Weg Zeit zu sparen, wäre eine bessere Arbeitsteilung. Team-Work gestaltet sich an Schulen allerdings aus organisatorischen Gründen derzeit schwierig. Ein Schulsystem könnte Teamarbeit fördern, statt sie zu verhindern: Das ginge zum Beispiel durch feste, im Stundenplan verankerte Zeitfenster für die Zusammenarbeit und eine Berücksichtigung der Kooperation als Teil der Pflichtstundenzahl. Dazu gehört aber auch dass vernünftige Arbeitsplätze für LuL in der Schule zur Verfügung stehen.
Entlastet besonders belastetete und engagierte Lehrerinnen und Lehrer!
Unterricht ist nur ein Teil der Arbeit. Lehrer übernehmen den größten Teil der Verwaltungsarbeit, sie kümmern sich um die Schulentwicklung, sie bilden angehende Pädagogen aus. Gerade in Korrekturfächern wie Deutsch oder Englisch opfern LuL zudem einen Teil ihrer Ferien und viele Wochenenden, um Klausuren angemessen zu bewerten. Dazu kommen noch zahllose pädagogische Aktivitäten – zum Beispiel die Begleitung von Schülerprojekten wie der Schülervertretung oder einer Schülerzeitung. Und, und, und…
Sehr viel von dem, was an Schulen gut läuft, beruht auf dem freiwilligen Engagement von LuL, die ihre Zeit opfern. Denn eine Entlastung von den Pflicht-Aufgaben gibt es für all diese Aufgaben in aller Regel nicht. Das Kontingent der sogenannten Anrechnungsstunden ist gering und vor allem für Verwaltungs- und Leitungsaufgaben reserviert.
Damit sich Engagement für die Belange der SuS lohnt, sollten auch für andere Aufgaben Anrechnungsstunden zur Verfügung gestellt werden. Schulen sollten über ein großzügiges bemessenes Zeit-Kontingent verfügen, das sie eigenverantwortlich als Anrechnungsstunden an die Kollegen verteilen, die sich jenseits des Unterrichtes für die Schulgemeinschaft besonders engagieren.
Fazit: Gute Bildung kostet gutes Geld
Eines haben alle Vorschläge gemein: Um sie umzusetzen, müssen mehr Lehrer eingestellt werden. Angesichts der Haushaltslage der meisten Bundesländer erscheint es womöglich naiv, solche Forderungen zu stellen. Solange in jeder Sonntagsrede die Bedeutung von Bildung für die Zukunft des Landes beschworen wird, erscheint es mir aber gerechtfertigt, daran zu erinnern, dass eine Gesellschaft sich gute Bildung auch etwas kosten lassen muss.
Diese Hinweis richtet sich nicht nur an Bildungspolitiker. Solange viele Bürgerinnen und Bürger weiterhin fälschlicherweise der Meinung sind, dass Lehrer zu viel Freizeit haben, werden Bildungspolitiker sich sicherlich nicht dafür einsetzen, dass Pädagogen entlastet werden.
Mehr aus der Artikel-Serie zum Thema Zeitmangel:
- für gut Ideen
- für Zuwendung und Pflege des Verhältnis zu den Schülerinnen und Schüler
- um aus ihren Fehlern lernen zu können
- für Individuelle Förderung
- für leistungsgerechte und aussagekräftige Bewertung
- für Kooperation innerhalb des Kollegiums
- um mit dem gesellschaftlichen Wandel Schritt zu halten
- spannende, motivierende Aufgaben